Schild
Mittwoch, 30 März 2016 07:22 geschrieben von Norman Frischmuth
Publiziert in Einzel-Projektmanagement

Scheinkonflikte in Projekten (Folge 20)

Wer Konflikte in Projekten effizient bearbeiten will, muss sich zwangsläufig mit den sogenannten Scheinkonflikten auseinandersetzen. Diese machen die Konfliktbearbeitung so schwer. Nicht immer ist klar, was das eigentliche Problem ist. Ergo können wir es auch nicht lösen.

Konflikte sind im Projektumfeld, wie im Alltag auch, etwas völlig Normales. Allerdings lohnt es sich vor der Konfliktbewältigung hinter die Fassade der Konfliktursache zu blicken. 

 

Wie kann man sich auf Konflikte und auf Konfliktsituationen vorbereiten?

Konflikte haben im Grunde immer nur zwei verschiedene Situationen: Die erste ist der Sachkonflikt. Hier gibt es eindeutig benennbare Ursachen für den Streitfall. Die zweite ist der Beziehungskonflikt. Hier liegt der Konfliktfall im Diffusen. Der Auslöser lässt sich nicht genau spezifizieren. Die Chemie scheint nicht zu stimmen.

Die Kategorie der Sachkonflikte lässt sich wiederum in Weg-, Ziel- und Verteilungskonflikt unterteilen. Es geht also um die Art und Weise wie etwas umgesetzt wird, das Ziel erreicht oder Ressourcen verteilt werden sollen. Im Projektmanagement lassen sich in der Regel nur Sachkonflikte kurzfristig bearbeiten. Beziehungsgefechte verlangen wesentlich mehr Fingerspitzengefühl und sollten außerhalb des Projektteams bearbeitet werden. Der Projektleiter kann auch gegebenenfalls darauf hinweisen, dass der Streit zwischen zwei Parteien das Projektteam und damit das Projekt belastet und es angemessen wäre diesen Disput außerhalb des Projektes auszutragen. Außerdem sollte man darauf achten, dass zwei Personen, die sich nicht verstehen, auf das gleiche Arbeitspaket oder einen gemeinsamen Abstimmungstermin mit dem Auftraggebern gesetzt werden. Zudem gehören Beziehungskonflikte nicht an die große Glocke, sondern sollten mit der betroffenen Partei besprochen werden. Anderenfalls könnten andere Projektmitglieder Partei ergreifen und der Riss geht danach durch das gesamte Team.

Sachkonflikte hingegen gehören in die Öffentlichkeit, da sie ungelöst die Projektarbeit gefährden könnten. Um einen Sachkonflikt zu lösen muss zunächst herausgefunden werden, was das Problem ist. Das heißt, worauf sich die unterschiedlichen Meinungen beziehen. Danach können die unterschiedlichen Argumente ausgetauscht werden. Am Ende entscheidet man sich für die Position mit den besseren Argumenten und der Streit ist beigelegt. Jedenfalls ist es in der Theorie so einfach.  Oft sieht es aber in der Praxis anders aus, denn tatsächlich gibt es noch eine weitere Konfliktart: Die Scheinkonflikte. Aber was ist darunter zu verstehen?

Man wechselt den Konfliktgrund zu einer Problematik für die man bessere Argumente hat, als für den ursprünglichen Konflikt. Eine Diskussion wie diese verhindert aber am Ende des Tages, dass über das eigentliche Problem diskutiert wird. Da das in Projekten oft vorkommt, wird die Konfliktlösung dadurch nicht einfacher gemacht. Mehr dazu im nächsten Teil.

Vor einer sinnvollen Bearbeitung von Konflikten, müssen diese zunächst erkannt werden, was sich in der Praxis als relativ schwierig gestaltet. Denn wird ein Konflikt nicht als solcher wahrgenommen und somit auch nicht bearbeitet, kann sich dieser mit der Zeit zuspitzen und eskalieren.

 

Woran erkennt man also frühzeitig Konflikte im Projekt?

Widerstände sind dabei ein zuverlässiger Indikator für potentielle Konflikte. Hinweise darauf geben die Sprache und das Verhalten von Menschen, die auf Widerstand und somit Konflikt hindeuten. Diese Spuren von Konflikte gilt es zu erkennen und richtig zu deuten. Dabei sind sprachlich aktive Elemente einfacher zu interpretieren als das Verhalten von Menschen. Beispielsweise ist der Interpretationsspielraum des Wortes „Nein“ sehr gering.

Wie bereits im Abschnitt „Konflikte in Projekten“ erläutert, stellt ein Konflikt zunächst nichts grundsätzlich Negatives dar. Es existieren einfach nur unterschiedliche Positionen. Richtig moderiert, setzen solchen Kontroversen durchaus positive Energie im Projekt frei.  
Stellt man sich dem Konflikt allerdings nicht, weil man ihn ignoriert oder schlicht nicht erkennt, wird sich das auf die Kommunikation mit den Konfliktparteien negativ auswirken. Dies geht in der Regel mit einer Emotionalisierung des Konfliktes einher. Damit steigt das Aggressionspotenzial und verringert gleichermaßen die Wahrscheinlichkeit einer gütlichen Einigung.

Am Ende entzieht sich der Konflikt jedem Lösungsversuch und zieht sich in passive Verhaltensmuster der betroffenen Menschen zurück. Sie beteiligen sich nicht mehr. Es gibt keine ernste Auseinandersetzung, man glaubt nicht mehr an den Erfolg.

Dies ist eine sehr gefährliche Situation im Projekt, da der unerfahrene Projektleiter glauben könnte, es gibt keine Konflikte mehr. Damit liegt er aber falsch. Die Konflikte sind immer noch präsent, wirken nun aber im Verborgenen und lassen sich nicht mehr so einfach bearbeiten.

Erkennt und bearbeitet man aber frühzeitig einen Konflikt, erspart man sich diese diffuse Situation und geht gestärkt aus der Auseinandersetzung heraus.

Gelesen 2843 mal Letzte Änderung am Mittwoch, 28 April 2021 15:10
Norman Frischmuth

Über den Autor

Norman Frischmuth

Nach der Berufsausbildung zum Industriekaufmann bei der AEG AG absolvierte Norman Frischmuth das Studium der Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt Informationsmanagement. Seine Diplomarbeit mit dem Titel „Anreizsysteme für den innerbetrieblichen Wissensmarkt“ bildete die Grundlage für die spätere Entwicklung der webbasierten Projektmanagementlösung Blue Ant. Während und nach seinem Studium war Norman Frischmuth als Berater und später Projektleiter bei unterschiedlichen IT-Unternehmen tätig.

Gemeinsam mit Kollegen gründete er Ende 2001 die proventis GmbH und ist seit diesem Zeitpunkt geschäftsführender Gesellschafter. Kernprodukt der proventis GmbH ist die Multi-Projektmanagemensoftware Blue Ant. In dieser Zeit hat er bei über 100 MPM-Implementierungsprojekten in Deutschland, Österreich und Schweden mitgewirkt, seine Schwerpunkte sind dabei: Project Management Office-Integration und die Etablierung von Ressourcenmanagement in Unternehmen mit 500 - 5000 Mitarbeitern

Seit 2003 engagiert er sich zudem im Hochschul- und Universitätsbereich und unterstützt Seminare sowie eLearning- und Blended-Learning-Veranstaltungen unteranderem an der Humboldt Universität zu Berlin, der Technischen Universität Berlin, der Hochschule für Technik und Wirtschaft und der Beth-Hochschule.

Im Rahmen seines ehrenamtlichen Engagements ist er seit 2009 Mitglied der Regionalleitung Berlin der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement (GPM).

Sein besonderes Engagement gilt der Vermittlung von Wissen und Erfahrungen im Rahmen von Seminaren, Vortragsreihen und der Beratung zum Thema praxisnahes Multi-Projektmanagement.

Seit 2003 unterrichtet Norman Frischmuth an Berliner Universitäten und Hochschulen mit Leidenschaft das Thema Projektmanagement. Seine praxisorientierte Vortragsweise gibt Anlass zum Weiterdenken und Raum für neue Fragen. Seit 2009 ist Norman Frischmuth Mitglied der Regionalleitung der GPM in Berlin.

PM Wissen
Du möchtest ein Online-Meeting oder eine Webinar-Session buchen?

Jetzt Anfragen!

  • training@pmbackstage.de
Schreibe Uns eine Mail

info@pmbackstage.de

Vernetze dich mit Uns