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Sonntag, 13 März 2016 12:26 geschrieben von Norman Frischmuth
Publiziert in Einzel-Projektmanagement

Die Auftragsklärung (Folge 7)

Warum ein Projektauftrag geklärt werden sollte oder was der Auftraggeber wirklich möchte!

Erfolgskriterium Auftragsklärung

Ein wesentliches Erfolgskriterium im Projekt stellt die Auftragsklärung dar. Hier verständigen sich der Auftraggeber und das Projektteam über die Inhalte und Ausprägungen des Projektziels. In der Praxis läuft dieser Prozess, der am Anfang des Projektes steht, jedoch häufig recht oberflächig ab. Das führt dazu, dass alle Projektbeteiligten erst im Verlauf des Projektes oder am Ende wissen, was genau die Erwartungshaltung des Auftraggebers war und was das Projektteam verstanden hatte.

Wir erinnern uns an die Zieldefinition im Projektmanagement: SMART sollten die Ziele sein. Erschwerend kommt hinzu, dass mit der Auftragsklärung der Wunsch des Auftraggebers einhergeht, kurz darauf eine feste Aussage bzgl. des Termins und der Projektkosten zu erhalten. Seriöse Aussagen hierzu lassen sich eigentlich erst nach der Projektlanung des Projektes treffen, da hier wesentliche Komponenten wie Ablauf, Arbeitskosten oder Sachkosten festgelegt werden können.

 

Rollierender Verlauf

Aus diesem Grund sollte die Auftragsklärung einen rollierenden Verlauf haben. Zunächst müssen der Inhalt und die Anforderungen des Auftraggebers klar definiert werden. Hierzu gehören auch Abnahmekriterien, anhand deren sich das Projektteam später messen lassen muss. Im nächsten Schritt erfolgt die Projektplanung (auch Grobplanung genannt). Ergebnis der Projektplanung sind Werte hinsichtlich Zeiten und Projektkosten, die sich bestenfalls mit den Vorgaben des Auftraggebers decken sollten. Wenn sie das nicht tun, erfolgt eine weitere Auftragsklärungsrunde, die jedoch eher Verhandlungscharakter besitzt. Jetzt geht es nicht mehr um das Verstehen, sondern darum, was in welcher Zeit zu welchen Kosten alles umsetzbar ist und was nicht. Das Ergebnis der Klärung kann eine erneute Projektplanung zur Folge haben.

 

Wann gilt ein Projekt als beauftragt?

Erst wenn sich Auftraggeber und Projektteam einig sind und dies schriftlich fixiert haben, gilt das Projekt offiziell als beauftragt. Dieser Projektprozess wird je nach Projekttyp in der Praxis unterschiedlich gelebt. Bei internen Projekten, die in einem reifen Projektumfeld umgesetzt werden, kann es mehrere Checkpoints geben, bevor es zur tatsächlichen Umsetzung freigegeben wird. Dies dient dem Schutz des Unternehmens vor ungeplanten Verwerfungen hinsichtlich der notwendigen Investitionen und des zu erwartenden Ertrages.

 

Der Projektauftrag am Beispiel

Im Nachfolgenden wird kurz ein Beispiel skizziert: Angenommen der Auftraggeber wünscht, sein Wohnzimmer zu verschönern. Dann geht es für den Auftragnehmer im ersten Schritt darum, den Projektauftrag genau zu klären. Was ist unter "Verschönerung" zu verstehen? Einmal staubsagen und durchwischen?! Wahrscheinlich nicht.

Der Projektleiter fragt den Auftraggeber nach seinen Anforderungen. Ergebnis: Die Tapete und der Fußbodenbelag sollen erneuert werden. Für die Abschätzung der Projektkosten wird zusätzlich die Materialfrage geklärt. Der Auftraggeber hat bezüglich der Tapete gerade keine konkreten Vorstellungen. Hier kann der Projektleiter nun die Lücke durch eigene Vorschläge füllen und damit den Projektauftrag ein stückweit mitgestalten. Der Projektleiter empfiehlt eine moderne, flexible aber dennoch zeitlose Tapete, z.B. weiße Raufaser.

Was den Fußbodenbelag angeht, so hat der Auftraggeber ganz konkrete Vorstellungen: Parkett, Nußholz, geölt! Der Auftragnehmer nimmt diese Anforderungen auf. Zudem wird der Umfang des Projektes in Bezug auf Entsorgung der alten Tapete und des alten Fußbodenbelages besprochen. Dem Auftraggeber wird dabei bewusst, dass das Gesamtprojekt recht umfangreich sein wird.

 

Zielkonflikt im magischen Dreieck

Schlussendlich interessiert den Projektleiter das Projektbudget und die Zeitvorstellungen. Der Auftraggeber möchte, dass das Projekt in 3 Monaten abgeschlossen ist und nicht mehr als 1000 Euro kostet. Hier stellt der Projektleiter einen Zielkonflikt im magischen Dreieck fest. Schließlich kostet das Parkett allein für das 30qm-große Wohnzimmer mehr als das Gesamtbudget hergibt.

Dieser Konflikt muss aufgelöst werden, um ein SMARTES Ziel zu erhalten. Bleibt der Konflikt an dieser Stelle ungelöst, so wird er sich wie ein roter Faden durch das gesamte Projekt ziehen und schlussendlich das Projekt scheitern lassen.

 

Rückblick Projektauftrag »Wohnzimmer verschönern«

Im letzten Beitrag wurde erläutert, wie wichtig es ist, das Projektziel gemeinsam mit dem Auftraggeber zu klären und zwar SMART. Unausgesprochene Konflikte oder inhaltliche Missverständnisse führen im späteren Verlauf eines Projektes immer zu Mehrkosten und zeitlichen Engpässen. Vor dem Projektstart gilt es, den wahren Umfang und damit die Erwartungshaltung des Auftraggebers herauszufinden und verständlich zu dokumentieren.

Im letzten Beitrag wurde als Beispiel die »Verschönerung des Wohnzimmers« gewählt.

Neben der inhaltlichen Klärung, was konkret »verschönern« bedeutet, war es wichtig, die Terminvorstellung und den Budgetrahmen in Erfahrung zu bringen.

Das Projekt sollte in 3 Monaten abgeschlossen sein und nicht mehr als 1000 Euro kosten. Diese Forderung führte zu einem Zielkonflikt in unserem magischen Dreieck. Schließlich kostet das Parkett allein für das 30qm-große Wohnzimmer mehr als das Gesamtbudget hergeben würde.

 

Verhandlung in der Auftragsklärung

An dieser Stelle kommt es zur Verhandlungsphase innerhalb der Auftragsklärung. Die Vorstellungen des Auftraggebers wurden vom Auftragnehmer verstanden und er ist nun in der Lage, Alternativen hinsichtlich der Anforderungen vorzuschlagen.

Der Auftragnehmer schlägt anstelle von Parkett Laminat als Bodenbelag vor und bewegt damit die Qualitätsanforderungen mehr in Richtung Preisanforderungen des Auftraggebers. Alternativ bietet der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine Anhebung des Budgetrahmens um das Vierfache an.

Wichtig ist, dass an dieser Stelle keine Versprechungen gemacht werden, die später nicht gehalten werden können. Das verlagert den Ärger nur an das Ende des Projektes. Eine Wendung zum Guten ist dann so gut wie unmöglich.

 

Inhalte des Projektauftrages priorisieren - »MoSCoW Methode«

Der Auftragnehmer sollte gemeinsam mit dem Auftraggeber die inhaltlichen Positionen des Projektauftrages  priorisieren. Damit findet man heraus, welche Anforderungen unabdingbar sind und welche »Nice-to-have« sind.

Eine Methode die dabei hilft, Inhalte zu priorisieren, nennt sich Die »MoSCoW Methode«. Hierbei handelt es sich nicht um die Methoden dubioser Inkassounternehmen. Vielmehr steht MOSCOW für 4 Priorisierungsstufen im Rahmen der Auftragsbeschreibung.

M steht für MUST. Alle Anforderungen unter dieser Überschrift müssen auf jeden Fall umgesetzt werden.

S steht für SHOULD. Diese Anforderungen sind nicht absolut notwendig, gehören aber für den Auftraggeber mehr oder weniger zu den Mindestanforderungen.

C steht für COULD: Das sind die sogenannten Nice-to-have-Anforderungen. Es wäre schon schön, wenn das umgesetzt werden kann. Wenn das Budget es nicht hergibt oder die Zeit zu eng wird, kann es entsprechend auch vernachlässigt werden.

W steht für WANT. Das sind die »Nicht-Ziele« des Projektes. Diese Anforderungen werden auf gar keinen Fall umgesetzt. In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass die Definition gerade dieser Kategorie wesentlich sein kann.

Sind die Anforderungen hinreichend ausformuliert, so kann getrost argumentiert werden. Allerdings entwickelt sich in der Kommunikation mit dem Auftraggeber aus dem nicht Zugesagten manchmal eine Hoffnung, die mit zunehmender Projektlaufzeit immer stärker werden kann und dann am Projektende bitter enttäuscht werden muss.

»Nicht-Ziele« klären deutlich, auf was der Auftraggeber nicht hoffen braucht. Vielleicht führt dies sogar zu einer Neubewertung anderer Anforderungen zu Gunsten eines noch »Nicht-Zieles«.

Ein gutes »Nicht-Ziel« für das Wohnzimmerprojekt wäre übrigens die Anschaffung von neuem Mobiliar gewesen...

Das miteinander Reden ist ein wichtiger Punkt und das Dokumentieren der gemeinsam getroffenen Vereinbarungen.

Gelesen 5824 mal Letzte Änderung am Freitag, 30 April 2021 12:33
Norman Frischmuth

Über den Autor

Norman Frischmuth

Nach der Berufsausbildung zum Industriekaufmann bei der AEG AG absolvierte Norman Frischmuth das Studium der Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt Informationsmanagement. Seine Diplomarbeit mit dem Titel „Anreizsysteme für den innerbetrieblichen Wissensmarkt“ bildete die Grundlage für die spätere Entwicklung der webbasierten Projektmanagementlösung Blue Ant. Während und nach seinem Studium war Norman Frischmuth als Berater und später Projektleiter bei unterschiedlichen IT-Unternehmen tätig.

Gemeinsam mit Kollegen gründete er Ende 2001 die proventis GmbH und ist seit diesem Zeitpunkt geschäftsführender Gesellschafter. Kernprodukt der proventis GmbH ist die Multi-Projektmanagemensoftware Blue Ant. In dieser Zeit hat er bei über 100 MPM-Implementierungsprojekten in Deutschland, Österreich und Schweden mitgewirkt, seine Schwerpunkte sind dabei: Project Management Office-Integration und die Etablierung von Ressourcenmanagement in Unternehmen mit 500 - 5000 Mitarbeitern

Seit 2003 engagiert er sich zudem im Hochschul- und Universitätsbereich und unterstützt Seminare sowie eLearning- und Blended-Learning-Veranstaltungen unteranderem an der Humboldt Universität zu Berlin, der Technischen Universität Berlin, der Hochschule für Technik und Wirtschaft und der Beth-Hochschule.

Im Rahmen seines ehrenamtlichen Engagements ist er seit 2009 Mitglied der Regionalleitung Berlin der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement (GPM).

Sein besonderes Engagement gilt der Vermittlung von Wissen und Erfahrungen im Rahmen von Seminaren, Vortragsreihen und der Beratung zum Thema praxisnahes Multi-Projektmanagement.

Seit 2003 unterrichtet Norman Frischmuth an Berliner Universitäten und Hochschulen mit Leidenschaft das Thema Projektmanagement. Seine praxisorientierte Vortragsweise gibt Anlass zum Weiterdenken und Raum für neue Fragen. Seit 2009 ist Norman Frischmuth Mitglied der Regionalleitung der GPM in Berlin.

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